BAUTZEN: HIER KANN SICH JEDER KOSTENLOS LEBENSMITTEL AUS DEM FAHRRADKORB NEHMEN

Seit 2020 gibt es in Bautzen die Möglichkeit, Lebensmittel zu teilen. Nach viel Ärger an festen Standorten, setzen die Initiatoren jetzt verstärkt auf ein anderes Konzept.

Bautzen. Bananen, Äpfel und Kiwis liegen in einer großen gelben Kiste auf dem Gepäckträger eines Fahrrads, das am Busbahnhof in Bautzen angeschlossen steht. In einem weiteren Korb vorn am Fahrrad liegen mehrere Packungen Brot. Vergessen hat das hier keiner – die Lebensmittel wurden ganz bewusst dort abgelegt.

Zum Beispiel von Lebensmittelretterin Christin Wegner. Seit mehreren Jahren engagiert sich die 35-Jährige in Bautzen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Mit dem Verein Foodsharing Bautzen holt sie mit rund 55 Mitstreitern übrig gebliebene Lebensmittel aus Supermärkten, Bäckereien und anderen Betrieben ab, um sie anschließend an die Menschen zu verteilen, die sie brauchen.

„Die Fahrradverteiler sind hauptsächlich dafür da, wenn Privatpersonen etwas abgeben wollen“, sagt die Bautzenerin. Denn wenn sie bei Betrieben Lebensmittel abholt, teilt sie diese zu erst einmal mit einer Obdachlosenunterkunft, mit dem „TiK - Treff im Keller", wo für Jugendliche gekocht wird, und einer Gruppe von Bürgergeldempfängern samt deren Familien. „Was dann übrig bleibt, bringe ich zu einem unserer Fahrräder.“ Die Tafel habe außerdem immer Vorrang vor dem Foodsharing.

Auch interessant:

An Verteilstationen in festen Räumen gab es Konflikte

Das grün-gelbe Fahrrad am Busbahnhof steht hier bereits seit zweieinhalb Jahren. „Und ich weiß nicht, wie viele Kisten es seitdem sind“, sagt Wegner und meint damit nicht das Auffüllen des Korbs. „Zuerst hatten wir zwei Plastikkisten links und rechts am Gepäckträger angebracht, die wurden immer wieder zerstört und abgetreten.“ Jetzt ist nur noch eine Kiste mittig drauf – und mit Kette und Schloss gesichert.

Vandalismus ist auch der Grund, warum der Fairteiler keine festen Räume mehr hat. Im Sommer 2020 hatten Wegner und ihre Mitstreiter das Pförtnerhäuschen an der Zufahrt zum Postgebäude als Verteilstation für Lebensmittel bezogen. Doch hier hatte es immer wieder Probleme gegeben: Immer dieselben Leute hätten vor dem Häuschen herum gelungert, manche seien handgreiflich geworden, die Stimmung aggressiv. Auch der Kühlschrank, der hier noch stand, sei zerstört worden. Die Folge: Immer mehr Menschen haben sich gar nicht mehr zum Fairteiler getraut.

Beim TiK der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde St. Petri Bautzen fand die Verteilstation im Herbst 2022 schließlich eine neue Bleibe mit guten Voraussetzungen: ein zugänglicher Ort, an dem durch die Angebote des Treffs immer jemand zugegen ist. Aber auch das ist inzwischen Geschichte. „Immer wieder wurden hier Hausrat und Klamotten abgestellt. Das haben wir jede Woche säckeweise weggeräumt“, so Wegner.

Neues Fahrrad mit Lebensmitteln bei der Josua-Gemeinde

Deswegen gibt es jetzt nur noch Fahrrad-Fairteiler. „Die werden zwar auch demoliert, aber der Aufwand, sie zu reparieren, ist wesentlich geringer.“ Vor potentiell vandalismusreichen Zeiten wir dem Männertag oder Silvester könne sie die Räder schnell wegräumen und in ihren Keller stellen, sagt die Bautzenerin. Es sei einfach insgesamt wenig Pflegeaufwand.

Ein weiteres Fahrrad steht seit Anfang April 2024 auf dem Gelände der Josua Gemeinde auf der Jordan-Straße in Bautzen. Der Kontakt zur Gemeinde bestand schon länger, da auch hierher Lebensmittelspenden gebracht wurden, unter anderem, für die Mahlzeiten für Geflüchtete aus der Ukraine. „Die Gemeinde hatte ohnehin in ihrem Haus einen Tisch aufgestellt, auf dem nach dem Gottesdienst Lebensmittelspenden ausgetauscht werden konnten. Das wollten sie auch außerhalb der Öffnungszeiten anbieten und sind auf uns zugekommen.“

So steht jetzt ein weiteres gelb-grünes Fahrrad im Fahrradständer am Eingang des Gemeindehauses. Es werde viel durch die Gemeindemitglieder aber auch darüber hinaus genutzt. Denn Lebensmittel bringen oder mitnehmen kann auch hier jeder. Wer spenden möchte muss sich aber einige Regeln halten, die an dem Fahrrad zu lesen sind: Alkohol, Energydrinks, Hackfleisch und roher Fisch sind nicht erlaubt. Ebenso sollen keine selbst gesammelten Pilze, Rohmilch oder Roh-Ei-Produkte abgeben werden. Zubereitete Speisen müssen verpackt sein.

Bautzen soll 2024 vier Fairteiler-Fahrräder bekommen

Zwar hätte man mit den Fahrrädern keine Möglichkeit mehr zum Kühlen von Lebensmitteln, sie punkteten aber in Sachen Anonymität. „Die Leute haben weniger Scham, wenn sie sich hier etwas mitnehmen.“ Auch die Streitigkeiten um Lebensmittel, die es zuvor gegeben hatte, seien weniger geworden.

Ihr Ziel für 2024 ist es, insgesamt mindestens vier oder sogar fünf Fahrräder in der Stadt Bautzen als Verteilstationen zu haben. Dafür werden noch alte Herren- und Damenräder gesucht. Die wollen die Foodsharer dann anstreichen, mit ihrem Schild und den Kisten für die Lebensmittel ausstatten. Dafür gab es erst kürzlich 450 Euro über die Ehrenamtsförderung des Landkreises.

Ein weiteres Fahrrad hat Christin Wegner bereits fertig gestaltet. „Es ist schwierig, einen geeigneten Ort zu finden. Er sollte witterungsgeschützt sein, aber zugleich gut zugänglich und nicht in einer dunklen Ecke …“ Für das Aufstellen des nächsten Fahrrads ist sie dazu in Verbindung mit dem Allende-Treff und dem Steinhaus.

Auch spannend:

2024-04-17T04:10:53Z dg43tfdfdgfd