"SEHR GUTE VERKäUFER HöREN ZU, UM ZU VERSTEHEN"

Du kannst nicht nicht verkaufenMaurice Bork: Verkaufen hat ein enorm negatives Image in unserer Gesellschaft. Die Ironie dabei: Wir alle verkaufen, nahezu ständig und überall. Und das wollte ich mit meinem Buchtitel ausdrücken. Ich bin jetzt seit zwei Jahren Vater und verkaufe täglich meinem Sohn, das zu tun, was wir als Eltern von ihm wollen. Zum Beispiel soll er lieber Gemüse essen anstatt Süßigkeiten. Wenn du auf Partnersuche bist, dann ist das ebenfalls Verkauf. Du versuchst, den anderen von deiner Person zu überzeugen.

Ein Geheimnis des Erfolges ist es, die Dinge immer auch vom Standpunkt des anderen zu betrachten. Das hat mich Henry Ford gelehrt. Wenn du ausnahmsweise einmal nicht in erster Linie an dich denkst, sondern an dein Gegenüber, dann hast du einen riesigen Vorteil im Gespräch. Ein weiteres Gesetz, das mir enorm wichtig ist: "Originale verkaufen sich besser". Authentizität ist für mich eines der stärksten Werkzeuge im Verkauf. Ich glaube, wir alle kennen Verkäufer, bei denen man irgendwie spürt, dass sie nicht authentisch oder sogar unehrlich sind. Sie wirken aufgesetzt. Alle Top-Verkäufer, die ich kenne, sind ausgesprochen authentisch. Außerdem reden viele Verkäufer zu viel. Ein guter Verkäufer reduziert seinen Gesprächsanteil auf ein Minimum. Das fußt sogar auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, denn man hat festgestellt, dass die Abschlusswahrscheinlichkeit sinkt, sofern ein Verkäufer zu viel redet. Sich für den anderen zu interessieren, Fragen zu stellen - dahin muss der Weg führen und nicht in Richtung Selbstdarstellung.

Etwas auszuschmücken und vielleicht auch zu übertreiben, kann im Nachgang immer zurückkommen. Wenn ich dir jetzt mein Buch mit vielen Argumenten verkaufe, warum du es unbedingt lesen solltest, du es aber liest und hinterher enttäuscht bist, weil das, was ich gesagt habe, gar nicht der Wahrheit entsprach, dann ist das für mich am Ende auch ein Misserfolg. Stattdessen lohnt es, lieber herauszufinden, was du wirklich willst. Anschließend kann ich mein Produkt entsprechend präsentieren, dass es diese Lösung für dich bereithält.

Wir wissen, dass Menschen Entscheidungen zu einem Großteil unterbewusst treffen. Der Psychologe Daniel Kahnemann fand heraus, dass wir Menschen in zwei Systemen denken. Das erste System steht für das schnelle, intuitive und unterbewusste Denken. Das zweite System hingegen für das rationale, wohlüberlege und langsame Denken. 95 Prozent unserer Entscheidungen treffen wir im System 1, ganz einfach, weil unser Gehirn Abkürzungen liebt und schnelle Entscheidungen in der Urzeit von Vorteil waren. Ein guter Verkäufer versteht, wie man auf dieses schnelle Denken Einfluss nehmen kann, und er spricht bei seinem Gegenüber nicht nur System 2 an. Viele durchschnittliche Verkäufer argumentieren die ganze Zeit mit rationalen Zahlen, Daten, Fakten, aber die Entscheidung wird ganz häufig emotional getroffen: in System 1.

Im Farbmodell ist die Rede davon, dass es grundsätzlich vier Persönlichkeitstypen gibt. Das gibt uns natürlich nur eine Tendenz, denn in Wahrheit sind wir eine Mischung aus den Farben. Der rote Typ ist dominant, wählt direkte Worte und konzentriert sich stets auf das Ziel. Er ist ungeduldig, hasst Smalltalk und steht auf Statussymbole. Wir finden den roten Typ oft in der Geschäftsführung. Dann gibt es den blauen Typ. Er ist ein Analytiker, wie er im Buche steht. Er prüft alles genau und arbeitet sehr gründlich. Falls er ein Regal aufbauen müsste, würde er zunächst minutiös die Montageanleitung studieren, und falls am Ende ein Teil übrig bliebe, würde er das komplette Regal wieder auseinandernehmen. Der gelbe Typ ist wie der rote Typ extrovertiert. Er stürmt auf einer Party als Erstes auf die Tanzfläche und er liebt es zu leben. Nur Details kann er nicht leiden, damit sollten Verkäufer ihn nicht langweilen. Und dann haben wir noch den grünen Typ, der im Grunde den Durchschnitt der drei anderen Typen bildet. Der grüne Typ ist introvertiert, vorsichtig und loyal.

Im Verkauf ist es wichtig zu wissen, mit wem man es gerade zu tun hat, um das eigene Verhalten entsprechend anzupassen. Gute Verkäufer sind wieverk Chamäleons. Das heißt nicht, dass sie sich verbiegen oder das Gegenüber in etwas hineindrängen, aber das Verständnis über die "Farbe" hilft, die richtigen Argumente zu wählen. Wenn ich verstehe, dass du ein blauer Typ bist, dann liefere ich dir Zahlen, Daten, Fakten, weil dein Gemüt sie wahrscheinlich für die Kaufentscheidung braucht. Der gelbe Typ würde einschlafen, wenn ich ihn damit erschlagen würde. Ihm würde ich eher die Vision aufzeigen.

Dazu gebe ich ein Beispiel: Wenn du einen überzeugten iPhone-Nutzer fragst, warum er dieses teure Handy besitzt, wird er vielleicht mit der Nutzbarkeit argumentieren. Er sagt dann: "Ich weiß, wie das funktioniert. Ich muss mich damit nicht mehr groß beschäftigen." Aber der wahre Grund lautet oft: "Ich will Status. Ich will ein sexy Telefon. Ich will Anerkennung." Ein iPhone-Käufer will zeigen, dass er sich das leisten kann. Im Verkauf ist es daher wichtig, sich sozusagen nicht mit der ersten Aussage zufriedenzugeben, sondern nachzuhaken. Wenn man immer weiter nachfragt, erfährt man den wahren Grund, der sich hinter der Kaufentscheidung verbirgt.

Ich glaube, das größte Problem ist, dass viele Verkäufer zu früh im Preis runtergehen. Ich hatte einmal mit einem Einkäufer zu tun, der mir gestand, dass Einkäufer eine Art Handbuch bekommen. Dort steht drin, welche Schritte sie zu befolgen haben, wenn sie in die Verhandlung gehen. Sie müssen einen Verkäufer dreimal nach einer Preisreduktion fragen. Dreimal! Schon nach der ersten Frage brechen viele Verkäufer ein. Die richtige Reaktion darauf: "Ich habe dir von Anfang an einen fairen Preis gegeben, deswegen kann ich dir leider keinen Rabatt gewähren." Beim zweiten Mal muss der Einkäufer bei seiner Frage mit der Verlustangst des Verkäufers spielen. Er betont, er müsse noch einmal mit der Konkurrenz sprechen und sich mindestens zwei weitere Angebote einholen. Bei der dritten Frage dann spielt er mit dem Totalverlust: "Wenn du nicht im Preis runtergehst, dann wirst du den Auftrag verlieren." Mithilfe dieser drei Fragen sparen Einkäufer Unternehmen pro Jahr Milliarden ein.

Ich würde ein Entgegenkommen mit Abschlägen vorschlagen. Wenn der Einkäufer von mir einen günstigeren Preis haben will, dann ist das grundsätzlich denkbar. Die Prämisse ist, dass ich im Gegenzug die Leistung reduziere. Man kann sich das wie eine Waagschale vorstellen: links der Preis, rechts die Leistung. Das heißt, wir würden ein iPhone zum Beispiel ohne Zubehör verkaufen. Oder nur den Preis reduzieren, sofern der Einkäufer unser Produkt bewirbt oder Ähnliches. Die Waagschale muss immer im Gleichgewicht bleiben.

Wenn man einmal einfach so einen Preisnachlass gewährt, kommt man da als Verkäufer kaum noch raus. Der Einkäufer will dann auch bei der nächsten Verhandlung wieder einen (grundlosen) Preisnachlass.

Zuerst sollte ein Angestellter den Standpunkt des Arbeitgebers einnehmen. Wenn ich meine Chefin von einer Gehaltserhöhung überzeugen möchte, sollte ich mich fragen, wieso sie mich eingestellt hat. Woran ist sie interessiert? Vermutlich wird sie mit meiner Hilfe Umsatz und Gewinn steigern wollen. Außerdem will sie wenig Stress mit ihren Mitarbeitern haben. Sie will Zuverlässigkeit, Initiative, eine gesunde Teamdynamik. Ich mache mir also vorab eine Liste, was meine Chefin sich wünscht. Und dann schaue ich, wie ich ihr dabei helfen kann, diese Ziele zu erreichen. Mein Verkaufsgespräch in dieser Gehaltsverhandlung besteht darin, ihr aufzuzeigen, dass ich ihr bei ihrer Zielerreichung helfe. Die Lösung dafür wiederum ist, mir mehr Gehalt zu zahlen.

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