INSEKTEN ALS NAHRUNGSMITTEL - WüRMER IM FLEISCH – ALS ICH IN MEINEN BURGER BEIßE, WIRD MIR GANZ ANDERS

Wer Grillen, Mehlwürmer und Heuschrecken verspeist, trägt zur Klimarettung bei, heißt es. Außerdem seien die Krabbeltierchen sehr gesund. Als passionierter Fleischesser bin ich skeptisch. Dennoch probiere ich einen „Insekten-Burger“.

Es geht doch nichts über einen köstlichen Burger. Etwa einmal im Monat gönne ich mir ein saftiges Rindfleisch-Patty mit allem Drum und Dran: Bacon, Zwiebel, Fleischtomate, Essiggurke, Kopfsalat, BBQ-Soße...

Auch heute werde ich einen Burger verspeisen, allerdings keinen gewöhnlichen. Zum ersten Mal im Leben probiere ich einen „Insekten-Burger“. Nachdem ich weder in Supermärkten noch in Restaurants solche Spezialitäten gefunden habe, bestelle ich im Internet.

Ich probiere Burger aus artgerecht gehaltenen Würmern

Der Kurier bringt ein handliches Paket. Inhalt: ein „Insekten-Burger“. Wobei die vollmundige Ankündigung auf der schmalen Tüte etwas irreführend ist. Denn es handelt sich lediglich um ein Pulver, das ich später mit Wasser zu einer Burger-Masse formen und braten muss.

Die 110 Gramm Bratmix-Pulver enthalten laut Hersteller „29 Prozent Buffalowurmpulver“, natürlich aus „artgerecht in der EU aufgezogenen Buffalowürmern“, was mich sehr beruhigt. Artgerecht ist immer gut. Man stelle sich nur vor, die Würmer würden gequält! Weitere Zutaten: Sojaschnetzel, Leinmehl, Zwiebelflocken, Backpulver, Natron und Flohsamenschalen.

„Burger genießen, ohne die Umwelt zu belasten. Aus nachhaltigen Speiseinsekten“ – so steht es auf dem Etikett. Und an anderer Stelle „Super lecker!“ Na bitte, was will man mehr? Wunderbar Essen und dabei das Klima schonen, ein Traum!

Darüber hinaus lerne ich viel Neues. Etwa, dass die Insektenzucht im Vergleich zur Rinderzucht 15.000 Mal weniger Wasser verbraucht, vier Mal weniger Futter, 100 Mal weniger Emissionen und 12,5 Mal weniger Fläche. Wer hätte das gedacht? Mein gutes Gewissen isst mit!

Gut fürs Klima, gut fürs Gewissen, gut für die Gesundheit

Und natürlich tue ich etwas für meine Gesundheit. Viele Insektenarten, lese ich bei einem Experten im Netz, enthalten „große Mengen an wertvollen Proteinen und sind reich an wichtigen Spurenelementen wie Eisen, Zink und B-Vitaminen“. Im Vergleich zu Fleisch beinhalten sie außerdem „deutlich mehr ungesättigte Fettsäuren“. Na dann, auf geht's!

In der Küche greife ich zu einer Schüssel, in der ich sonst Rinderhack knete. Tüte auf, Pulver rein, Wasser aufgießen und tun, was der Hersteller empfiehlt: „Mit einem Löffel ca. 1 Minute lang gut vermischen“. Dann Pflanzenöl in die Pfanne, erhitzen und „10 – 12 Minuten bei gelegentlichem Wenden anbraten“.

Nichts leichter als das! Allerdings frage ich mich, ob die Konsistenz der Masse exakt den Vorschriften entspricht. Sie scheint mir etwas fest zu sein. Auch die Farbe, die an einen Scheuerlappen nach dem Aufwischen erinnert, macht mir nicht gerade einen appetitlichen Eindruck. In dem graubraunen Brei sind gelbe Körner zu sehen. Er riecht ein bisschen nach Leberwurst. Bestimmt muss das so sein, denke ich.

Irgendwie muss ich die Vorstellung aus meinem Kopf bekommen, dass ich gleich erhitzte Würmer zwischen zwei Brötchenhälften presse und herzhaft hineinbeiße. Da hilft vermutlich nur: Augen zu und durch!

Okay, der Burger ist fertig und bereit, verspeist zu werden. Ich führe ihn zum Mund, beiße hinein – und zögere. Soll ich den kross gebratenen Würmerklops wirklich runterschlucken? Ich schaffe es nicht. Ein fader, pappiger, leicht nussiger Geschmack macht sich breit, ich beiße auf Körner – und spucke aus.

Man darf mir ruhig vorwerfen, dass ich mit einer gewissen Skepsis an die Sache herangegangen bin und deshalb nicht hundertprozentig neutral geurteilt habe. Andererseits: Wenn es eine wahre Delikatesse wäre, warum sollte ich dann nicht Feuer und Flamme sein für Insekten-Speisen?

Mein Fall sind solche Kreationen nicht, soviel steht fest. Und offenbar bin ich nicht der Einzige, dem Würmer-Burger suspekt sind und dem sie schlicht und ergreifend nicht schmecken.

Hype um Krabbeltierchen ist in Deutschland vorbei

Zumindest in Deutschland scheint der Hype um Krabbeltierchen auf dem Teller vorbei zu sein. Supermärkte und Restaurantketten, die „Insektenfood“ vor nicht allzu langer Zeit öffentlichkeitswirksam angepriesen haben, sind inzwischen zurückgerudert.

So erklärte die Rewe Group auf Anfrage von FOCUS online, man sehe „nur eine geringe Relevanz für die Verarbeitung von Insekten in Lebensmitteln“. Deshalb gebe es aktuell weder bei Rewe noch bei Penny „Eigenmarkenprodukte, bei denen Pulver aus Insekten eingesetzt wird“. Thomas Bonrath, Sprecher der Rewe Group in Köln: „Es bestehen auch keine Überlegungen, dies zu tun.“ Auch Markenprodukte mit der Zutat Insekten seien „zentralseits nicht gelistet“.

Auch beim Lebensmittelhändler Tegut ist man zurückhaltend geworden. „Als Insekten im Jahr 2018 zugelassen wurden, hatten wir mal eine Zeit lang verschiedene Insektenprodukte wie Mehle und Burger-Patties gelistet. Aufgrund der geringen Nachfrage wurden diese Produkte im Laufe des Jahres 2020 abverkauft und dann ausgelistet“, so Matthias Pusch, Leiter Unternehmenskommunikation Tegut, zu FOCUS online.

„Hans im Glück“: Insekten-Burger nicht mehr im Angebot

Bei der Burger-Kette „Hans im Glück“ (deutschlandweit mehr als 90 Standorte) findet man ebenfalls keine Insekten-Burger mehr auf der Speisekarte. 2019 hatte das Unternehmen über mehrere Monate den „Übermorgen“ angeboten – einen Insektenbratling mit Buffalowürmern, den Larven des Getreideschimmelkäfers. Danach war Schluss – trotz „deutlich übertroffener“ Erwartungen und positiver Kundenresonanz.

Eine Sprecherin von „Hans im Glück“ zu FOCUS online: „Natürlich gab es Überlegungen, den ‚Übermorgen‘ dauerhaft ins Sortiment zu nehmen, aber sowohl aus operativen als auch perspektivischen Gründen haben wir uns auf mehr auf das Thema Plant Based (auf pflanzlicher Basis, die Redaktion) konzentriert.“

Außerdem sei der Markt für Insektennahrung „aktuell leider noch nicht groß genug, um ein permanentes flächendeckendes Angebot zu einem attraktiven Preis zu garantieren“, so die Sprecherin. „Die Gesellschaft ist beim Thema Insektennahrung tatsächlich eher zurückhaltender als in anderen Ländern.“

Mein Würmer-Experiment endet mit eindeutigem Fazit

Habe ich mein Würmer-Experiment bereut? Nein, auf keinen Fall. Wer beim Thema „Nahrungsmittel der Zukunft“ mitreden will, muss sie selbst probiert haben. Aber mein Bedarf an Insekten ist fürs Erste gedeckt.

Ich greife dann doch lieber zum klassischen Burger mit saftigem Rindfleisch-Patty. Mahlzeit!

2023-06-02T07:16:27Z dg43tfdfdgfd