LIEBE, RESPEKT, VERTRAUEN - AN 7 FAKTOREN ERKENNEN SIE, OB SIE GUTE ELTERN SIND

Selbstzweifel dürften vielen Eltern vertraut sein. Doch die meisten machen einen besseren Job, als sie denken. Wir lassen fünf Familien-Experten zu Wort kommen, die erklären, woran man gute Eltern erkennt.

Was alle Eltern wohl gemeinsam haben, ist der Wunsch, einen guten Job zu machen: Alle Eltern wollen gute Eltern sein. Und alle Eltern kennen das Gefühl, dabei zu versagen und die nagende Frage: habe ich alles richtig gemacht im Umgang mit meinen Kindern?

Perfekte Eltern gibt es nicht – und das ist für Kinder sogar sehr gut. Denn die Familie stellt den Raum dar, in dem alle Familienmitglieder lernen, wachsen und sich entwickeln. Ohne Fehler würden diese Prozesse kaum gelingen. Deshalb dürfen Eltern, wenn diese Sorgen hochkommen, tief durchatmen und sich bewusst machen, dass es gut ist, wenn sie gut genug sind. Und dem Drang widerstehen, alles für ihre Kinder zu geben, ohne dabei auch an ihre eigenen Bedürfnisse zu denken. 

Obwohl jede Familie ihre eigene Geschichte hat und obwohl natürlich jeder einzelne Mensch einzigartig ist, gibt es ein paar Dinge, die gute Eltern gemeinsam haben. Fünf Experten erklären, woran man sie erkennt.

1. Sie sorgen gut für sich selbst

„Gute Eltern erkennt man daran, dass sie maximal entspannt sind und gut für sich und ihren Seelenzustand sorgen“, sagt Familientherapeut und Familylab-Gründer Mathias Voelchert. Dies gelinge, indem sie sich Zeit für sich selbst und – sofern sie nicht alleinstehend sind – für sich als Paar nehmen. „Dann tanken die Eltern wieder auf, ihre Paarbeziehung wird wieder gestärkt, sie wissen wieder, warum sie überhaupt zusammengekommen sind. Und es ist wichtig, das ein paarmal im Jahr zu machen. Denn dann kann man auch wieder eine Stressphase durchhalten.“

2. Sie respektieren ihre Kinder

„Zeigen Sie einem Kind gegenüber denselben Respekt, den Sie auch einem Erwachsenen entgegenbringen“, sagte der bekannte Familientherapeut Jesper Juul zu Lebzeiten. Eine Aussage, die ohne Weiteres als eine der wichtigsten Grundregeln im Umgang mit Kindern bezeichnet werden kann. Denn wie sollen Kinder lernen, was Respekt bedeutet, wenn sie selbst nicht respektvoll behandelt werden? 

Gute Eltern verstehen, dass Respekt nicht mit Gehorsam gleichzusetzen ist.

3.  Sie knüpfen ihre Liebe nicht an Bedingungen

„Ein Kind muss spüren, dass es so wie es ist richtig ist. Dass es um seiner selbst willen und bedingungslos geliebt wird. Das ist die wichtigste Erfahrung, die jedes Kind braucht“, sagt Hirnforscher Gerald Hüther. Kinder seien dann am glücklichsten, wenn sie das Gefühl haben, sich wie ein Baum bei Wind und Wetter entfalten zu können und nicht wie Spalierobst an den Drähten elterlicher Erwartungen festgebunden zu sein und sich anstrengen zu müssen, um von den Eltern geliebt zu werden. 

4. Sie haben Vertrauen 

„Gute Eltern haben Vertrauen in ihre Kinder. Und die Kinder haben Vertrauen in ihre Eltern“, sagt Mathias Voelchert. Und: „Erziehung braucht Vertrauen, aber Vertrauen braucht keine Erziehung.“

 

Vertrauen, das heißt auch, seinen Kindern etwas zuzutrauen. Sie ein Stück weit frei zu lassen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen können. Dazu gehört auch, das Vertrauen, dass die Kinder wieder aufstehen, wenn sie gestolpert sind, sich von den Eltern trösten lassen und es dann noch einmal versuchen. Und wenn die Kinder älter sind, brauchen sie das Vertrauen zu ihren Eltern, damit sie ihnen ihre Sorgen und Ängste anvertrauen können – ohne fürchten zu müssen, dass sie dafür bestraft werden. 

5. Sie übernehmen Verantwortung und reflektieren sich selbst

Gute Eltern wissen, dass sie die Schuld für Probleme in der Familie nicht einfach den Kindern zuschieben können. „Für die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Stimmung in der Familie sind die Eltern verantwortlich“, betont Mathias Voelchert. Denn Kinder können eine so komplexe Situation weder erfassen, noch analysieren und schon gar nicht selbstständig verändern. „Gute Führung bedeutet: Ich übernehme die Verantwortung und stelle mir die Frage, warum mein Kind sich auf eine bestimmte Weise verhält, suche nach Lösungen und erkenne meinen eigenen Anteil an der Situation.“

 

Die Psychologin und Bestseller-Autorin Stefanie Stahl gibt außerdem zu bedenken: 

„Was wir selbst als Kinder erlebt haben, hat eindeutig einen Einfluss auf unser Erziehungsverhalten. Eltern sollten überlegen: Wo liegen aufgrund der Art und Weise, wie ich aufgewachsen bin, meine Stärken und wo liegen meine Herausforderungen? Das ist sehr wichtig, um nicht einfach unreflektiert seine eigenen Schatten an die Kinder weiterzugeben. Es macht eigentlich für alle Eltern Sinn, die eigenen Prägungen zu reflektieren.“

6. Sie verzichten auf Druck und Strafen

„Wenn ich etwas mit Druck, Strafen und Disziplinierungs-Methoden erreichen will, dann versuche ich, das Kind zu brechen. Ein gesundes Kind wird sich sehr lange dagegen wehren und es dann irgendwann machen, weil es Angst vor der Strafe und der Disziplinierung hat. Nicht weil es erkennt, dass es diese Kooperation innerhalb der Familie jetzt braucht“, sagt Voelchert.

„Früher haben Eltern sich über die Gehorsamkeit ihrer Kinder definiert. Wenn man die Kinder nicht gesehen und nicht gehört hat, dann waren das gute Eltern. 

Aber waren das wirklich gute Eltern? Nein, das waren Eltern, die mit Schlägen, verletzenden Worten und Strafen die Kinder gebrochen und dazu gezwungen haben, sich still und brav zu verhalten.“

7. Verhalten der Kinder, zeigt wie gut Eltern sind

Gute Eltern erkennt man natürlich auch daran, wie ihre Kinder sich verhalten. Frühere Generationen haben eine erfolgreiche Erziehung zum Beispiel daran gemessen, wie diszipliniert und gehorsam Kinder sich verhalten haben.

Heute wissen wir, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn Kinder im Beisein ihrer Eltern offen ihre Gefühle zeigen. Auch wenn das bedeutet, dass ein Wutanfall im Supermarkt begleitet werden muss. Denn das bedeutet, dass sie ihren Eltern so sehr vertrauen, dass sie sich so zeigen wie sie sind – und nicht versuchen, sich zu verstellen.

 

Wir wissen auch, dass es gut ist, wenn Kinder diskutieren und ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen verteidigen. Wir müssen keine Machtkämpfe mehr führen, weil wir dank Jesper Juul wissen, dass dann am Ende beide Seiten als Verlierer dastehen und die Qualität der Beziehung sich dadurch nur verschlechtern kann. 

Die Familienbegleiterin und Bestseller-Autorin Inke Hummel hat für FOCUS online acht Signale von Kindern zusammengestellt, an denen man eine gute Erziehung erkennen kann. Sie schreibt: 

„Wenn Eltern ihre Kinder sicher und hilfreich begleiten, bedeutet das für mich, dass die Kinder 

  1. sich trauen, Nein zu sagen
  2. andere respektvoll, aber bestimmt kritisieren
  3. bei Streitigkeiten mehr nach Lösungen als nach Schuld suchen
  4. positive Glaubenssätze über sich selbst haben
  5. sich immer trauen, nach Hause zu gehen und „Fehler“ zuzugeben
  6. mit anderen mitfühlen
  7. gut für sich sorgen können und spüren, was sie brauchen
  8. Worte für ihre Gefühle haben

(Immer unter der Voraussetzung, dass das Kind diese Dinge grundsätzlich vermag und keine Einschränkungen hat, die das verhindern.)“

 

Die meisten Eltern machen es besser als sie denken

Wir sehen also, es gibt eine Menge Anzeichen, dass Eltern einen guten Job machen. Mathias Voelchert fasst noch einmal die wichtigsten zusammen:

„Gute Eltern sind aus meiner Sicht Eltern, die eine gute, stabile Beziehung zu ihrem Kind haben. Die ihr Kind Stück für Stück immer mehr in die Eigenverantwortung bringen.“

Und: „Ich glaube, dass die meisten Eltern sich das Leben mit ihren Kindern viel zu schwer machen. Viel zu viele Machtkämpfe führen, in zu vielen Situationen glauben, wenn sie das nicht durchsetzen, sind sie keine guten Eltern.“ In Wahrheit würden es die meisten Eltern besser machen als sie glauben, meint der Familientherapeut.

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