FETTIGE HAARE DURCH KOPFMASSAGE? FACHäRZTIN KLäRT üBER MYTHEN AUF

Haare sind ein Thema für sich. Kaum jemand ist mit ihnen zufrieden, die eine wünscht sich Locken, der andere volleres Haar, der Nächste klagt über fettige Ansätze, oder es sind die grauen Haare, die einem zu schaffen machen.

Über Haare kann man sich genauso ausgiebig und unverfänglich unterhalten wie übers Wetter. Jeder kann klagen, jede hat eine Meinung. Oft genug spielen hier aber auch reichlich Halbwissen und Mythen mit rein. Und damit möchte Dr. Alice Martin aufräumen.

Die Dermatologin hat die digitale Hautarztpraxis Dermanostic mitgegründet und berät Menschen mit allen möglichen Hautproblemen online – unter anderem per App. Immer wieder ist ihr in der Praxis aufgefallen, dass Haare ein Thema sind, das irgendwie alle interessiert, und dass es im Alltag eben auch ganz viele Stolperfallen gibt, mit denen man den Haaren schadet. Und das fängt schon beim Waschen an.

Deshalb hat die Expertin ein Buch geschrieben, in dem sie all die Fragen beantwortet, die ihr im Laufe der Jahre immer wieder gestellt wurden. Es enthält die „wichtigsten Fakten zu Wachstum, Gesundheit und Pflege“, wie es im Untertitel heißt.

Inhaltlich geht es um alle erdenklichen Haarprobleme und wie man sie in den Griff kriegt, beispielsweise die Ursache von Schuppen, welches Haargummi das richtige für langes Haar ist, warum die Haare nicht glänzen und was die Ernährung damit zu tun hat.

Exklusiv für die Berliner Zeitung klärt die Medizinerin über die häufigsten Haarmythen auf und sagt auch, was an überbrachten Weisheiten doch stimmt.

Viele Menschen fürchten sich, dass eine Massage die Kopfhaut derart anregen kann, dass die Haare (schneller) fettig werden. Friseurinnen und Friseure bekommen das regelmäßig zu hören. Doch die Hautärztin gibt Entwarnung: „Wenn Sie generell keine fettige Kopfhaut haben, triggert eine Massage die Drüsen auch nicht.“

Falls Sie jedoch zu fettigem Haar neigen, kann eine Massage das verstärken – allerdings „ist das quasi nicht messbar“, sagt Martin. „Viel problematischer ist es, wenn man sich mit den Händen ständig durch die Haare geht und somit das Fett von den Fingern auf den Haaren verteilt. Ganz besonders bei glatten Haaren gilt: Wer sich oft ins Haar fasst, kriegt schneller fettige Haare.“

Unsere Haut ist von einer natürlichen Fettschicht durch den Talg umgeben, die sie schützt. Zudem schwitzen wir auch mit den Händen. Oftmals sind unsere Hände fettiger, als wir es wahrnehmen. Und diesen unsichtbaren Fettfilm schmieren wir dann in die Haare. Also: Besser Finger weg!

„Solange Sie die Zeit haben, die Haare offen an der Luft trocknen zu lassen, ist das wirklich gut für Ihre Haare und besser als das Föhnen“, sagt Martin. Viele Menschen jedoch würden sich nach dem abendlichen Haarewaschen in der Wanne oder unter der Dusche mit noch nassen Haaren hinlegen oder beispielsweise nach dem Schwimmen einfach eine Mütze aufsetzen. „Davon brechen die Haare aber“, warnt die Ärztin.

Insofern rät sie, die Haare stets zumindest etwas anzuföhnen, hierfür aber unbedingt einen Hitzeschutz aufzutragen, den Haartrockner nicht zu nah ans Haar zu halten und auch auf eine möglichst kalte Stufe zu regulieren.

„Große Hitze ist für Haare immer belastend. Die meisten Menschen glauben, dass ein Conditioner oder ein Hitzespray das Haar ausreichend schützen, aber das stimmt so nicht“, sagt die Dermatologin.

Wichtig ist es in jedem Fall, die Haare vorsichtig, aber gewissenhaft zu entwirren. Hierfür eignet sich eine spezielle Entwirrbürste, aber auch die (frisch gewaschenen) Finger, mit denen man die groben Strähnen voneinander trennen kann. Danach kann man, so die Expertin, einen grobzinkigen Kamm verwenden.

Da Haare in nassem Zustand besonders empfindlich sind, sollten Sie keinesfalls an ihnen zerren, wenn Sie keine Schäden riskieren wollen. Um die Haare zu schützen und sie leichter kämmbar zu machen, sollten Sie entweder beim Waschen eine Spülung verwenden oder danach einen Conditioner verwenden, der im Haar bleiben kann. Die Inhaltsstoffe legen sich wie ein Schutzfilm ums Haar, verschließen die äußere Schuppenschicht und machen es wieder glatt und glänzend.

Das gilt umso mehr, wenn Sie Locken haben. Die trocknen schneller aus, brauchen viel Feuchtigkeit. Feines Haar hingegen kann durch zu viel Pflege beschwert werden. Da sollten Sie sehr sparsam mit allem umgehen, was ins Haar kommt. Hier gilt: Weniger ist mehr.

Menschen mit Neigung zu fettigen Haaren waschen sich häufiger die Haare als jene, deren Kopfhaut und Haare trocken sind. Aber ist der Waschrhythmus die Ursache für die Talgproduktion der Kopfhaut? „Nein“, sagt Martin ganz klar. „Vom häufigen Haarewaschen kriegt man keine fettigen Haare.“

Wobei es auch hier ein Aber gibt. Das absolute Nein gilt für Menschen mit normalen Haaren. Wenn Sie weder fettige noch besonders trockene Haare haben, wird häufiges Haarewaschen nicht dazu führen, dass Sie plötzlich fettige Haare haben.

Gleichwohl reagiert unsere Kopfhaut auf die Haarwäsche, die nämlich in der Regel entfettend wirkt. Sie erhöht dann die Talgproduktion, um den (eigentlich) schützenden Film wiederherzustellen. Das heißt: Wenn Sie fettige Haare haben und sich jeden Tag die Haare waschen, wird Ihre Kopfhaut umso mehr Talg produzieren. Sobald Sie dann einen Tag aussetzen, sieht man das vermutlich sofort.

Insofern empfiehlt die Expertin, das Haarewaschen auf zwei- bis dreimal pro Woche zu beschränken und der Kopfhaut die Möglichkeit der Selbstregulation zu geben. Tägliches Haarewaschen stresst nicht nur die Kopfhaut, sondern auch die Haare selbst.

Die Faustregel, nach der man seine Haargummis wählen sollte, lautet: je dicker, desto besser. Ganz dünne Haargummis können nämlich die Haarstruktur beschädigen. „Das gilt umso mehr, wenn die Haare noch nass sind“, warnt die Dermanostic-Expertin.

Auch Metallteile am Haargummi sollte man meiden, weil auch diese die Haare kaputt machen können. „Wer ein Haargummi benutzt, sollte die Haare nicht zu fest binden, sondern etwas lockerer, um die Haare zu schonen“, so die Ärztin. „Besser und schonender sind Haarklammern oder solche Gummispiralen.“ Diese sind um die eigene Achse geschwungen und sehen aus wie früher die Telefonkabel.

Omas Weisheit, wonach langes Kämmen oder Bürsten des Haares dazu führt, dass es einen seidigen Glanz hat, stimmt. „Und das liegt daran, dass wir das Fett von der Kopfhaut in die Längen verteilen, es von oben nach unten bürsten. Der Glanz ist eigentlich nur das Fett, oder genauer gesagt: der Talg aus den Poren der Kopfhaut“, erklärt Alice Martin.

Umgekehrt gilt aber auch: Wenn Sie zu fettigem Haar neigen, sollten Sie regelmäßig Ihre Bürste oder ihren Kamm reinigen, alte Haare entfernen und Kamm oder Bürste in Laugenwasser abwaschen. Denn zwischen den Borsten und Zinken sitzt der Talg fest.

Wenn Sie sich also das Haar frisch gewaschen haben und mit einer länger nicht gereinigten Bürste oder einem Kamm durchs Haar gehen, verteilen Sie direkt wieder das alte Fett. Das kann ein Grund sein, weshalb Ihre Haare schnell wieder fettig wirken. Darum gilt: Denken Sie unbedingt ans Reinigen von Bürste und Kamm!

Wie schön wäre es, wenn das stimmen würde?! Wenn man sich sein feines, dünnes Haar häufig genug schneidet, wird man irgendwann mit einer Wallemähne belohnt – ein Traum. Und leider auch nur genau das. Ein frommer Wunsch. Denn das stimmt natürlich nicht.

„Nach dem Haarschnitt wirken die Haare voller, weil sie wieder in Form gebracht wurden und die womöglich ausgefransten Spitzen ab sind. Dadurch scheint es eben, als habe man mehr Haare. Doch rein biologisch ist es nicht möglich, durch das Schneiden am Ende ein Wachstum an der Wurzel anzuregen“, sagt die Buchautorin.

Es gibt immer wieder Geschichten, wonach Menschen gleichsam über Nacht graue Haare bekommen haben. Und auch wenn wir wissen, dass das niemals so Knall auf Fall gehen kann, gibt es doch Fälle, wo diese Annahme naheliegt.

„Wer stark gestresst ist, kann Haarausfall bekommen. In der Folge ist es möglich, dass man binnen zwei bis drei Wochen ziemlich viele Haare verliert. Und wenn man bereits vorher graue Haare hatte, hat sich deren Anteil am Gesamterscheinungsbild verschoben und man wirkt deutlich grauer als zuvor“, so Alice Martin.

Sowieso nimmt ja der Anteil der weißen Haare mit steigendem Alter zu. Und wenn dann durch einen stress- oder hormonbedingten Haarausfall, etwa durch die Wechseljahre, die noch pigmentierten Haare ausfallen, wird man eben immer grauer – mitunter sehr schnell – und irgendwann weiß.

Dr. Alice Martin, Dr. Lucia Schmidt: Alles klar beim Haar? Eco Wing Verlag, 160 Seiten, circa 20 Euro

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